European Hydrogen Backbone

Der EHB – starkes Rückgrat für die europäische Energie­zukunft

Das Rückgrat der euro­päischen Zusammenarbeit in Sachen Energie stützte sich ur­sprüng­lich auf die Kohle- und die Atom­industrie. Die Zukunft der Energie­erzeugung und -versorgung in Europa hängt jedoch an erneuer­baren Energien: Solar­energie, Windkraft – und grüner Wasserstoff.

Frieden entsteht durch Vertrauen. Vertrauen entsteht durch Zusammen­arbeit. Das ist das Europa, das wir seit Ende des Zweiten Welt­kriegs kennen. Eine Gemein­schaft der Nationen und der Menschen, die zunächst durch vertraglich geregelte Abkommen und schließlich durch gestiegenes Vertrauen zusammen­gewachsen sind.

Die Europäische Union hat ein Rückgrat, das über Jahr­zehnte immer stärker wurde. Alles begann mit dem Vertrag über die Gründung der Euro­päischen Gemein­schaft für Kohle und Stahl: Im Jahr 1951 entschieden sich Belgien, die Bundes­republik Deutsch­land, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Nieder­lande für eine friedliche Zukunft auf Basis wirt­schaft­licher Zusammen­arbeit. Im Zuge einer immer enger werdenden politischen Ver­bundenheit schlossen die Staaten im Jahr 1992 dann in Maastricht den Vertrag über die Euro­päische Union als Nach­folgerin der EWG. Eine friedliche Ko­existenz von Ländern, die sich gegen­seitig unter­stützen, stärken und die von­einander profitieren.

Mit der wachsenden Zahl an Mitglied­staaten ist die EU auch in weiteren Politik­feldern aktiv geworden. Dazu gehören der Klima­schutz und die Energie­wende. Auf Basis des sogenannten „European Green Deal“ wurden ab dem Jahr 2019 wichtige Weichen gestellt: unter anderem mit der ersten euro­päischen Wasser­stoff­strategie.

Wasserstoff­strategie der EU

Die Europäische Kommission fasst in ihrer Wasser­stoff­strategie die Bedeutung des Wasserstoffs für die Klima­neutralität der EU bis 2050 zusammen: „Wasser­stoff erfährt sowohl in Europa als auch weltweit erneut erhöhte und rasch wachsende Aufmerk­sam­keit. Er kann als Einsatz­stoff, Brenn­stoff oder Energie­träger und -speicher und für zahlreiche mögliche Anwendungen in der Industrie, im Verkehr, im Energie- und im Gebäude­sektor genutzt werden. Vor allem aber verursacht er bei seiner Nutzung keine CO2-Emissionen und fast keine Luft­schadstoff­emissionen (sauber). Er bietet somit eine Lösung für die Dekarbonisierung von Industrie­verfahren und Wirtschafts­zweigen, in denen eine Verringerung der CO2-Emissionen sowohl dringend erforderlich als auch schwer zu erreichen ist.“

Für eine erfolgreiche klima­neutrale Energie­erzeugung und -versorgung mit Wasser­stoff in Europa braucht es im Wesentlichen drei Dinge: das Angebot, die Nachfrage – und die Infra­struktur, um Angebot und Nachfrage miteinander zu verbinden.

Das Angebot

Die europäische Versorgung mit Wasser­stoff läuft derzeit an, und sie wird sich vor allem auf drei Säulen stützen: auf Solar­energie aus süd­euro­päischen Regionen, auf Offshore-Wind aus Nord- und Ost­see sowie Onshore-Wind aus Ost­europa – und auf den Import von Wasser­stoff aus Ländern außerhalb der EU.

Bis zum Jahr 2030 möchte die EU mehr als 10 Millionen Tonnen grünen Wasser­stoff aus eigener Produktion erreichen und zusätzlich weitere 10 Millionen Tonnen importieren. Allein für die euro­päische Produktion würden etwa 120 GW installierte Offshore-Wind­leistung benötigt.

Ein immer größer werdendes Angebot, das die Nach­frage nach Wasser­stoff nicht nur erfüllen, sondern sogar noch verstärken wird.

Die Nachfrage

Durch die Anforderungen der EU-Klima­ziele entsteht in nahezu allen Industrie- und Verkehrs­bereichen ein Bedarf nach Wasser­stoff zur Dekarbonisierung. Bis zum Jahr 2050 könnte die Nach­frage auf etwa 1.700 TWh Wasser­stoff pro Jahr innerhalb der EU ansteigen. Diese Perspektive beschreibt die Gas-for-Climate-Studie „Gas Decarbonisation Pathways 2020 to 2050“. So soll Wasser­stoff etwa in der Stahl­produktion und der Chemie­industrie fossile Energie­träger ersetzen. Im Verkehrs­bereich könnte Wasser­stoff vor allem im Schwer­last­straßen­verkehr sowie in der Schiff- und Luft­fahrt eine Lösung zur Dekarbonisierung sein. Auch im Auto­mobil kann sich Wasser­stoff lohnen – auf der Lang­strecke. In der Wärme­versorgung kann Wasser­stoff ebenfalls dazu bei­tragen, den CO2-Ausstoß zu verringern.

Die Infrastruktur

Auf dem Weg vom An­bieter zum Ab­nehmer muss Wasser­stoff möglichst günstig und zuverlässig trans­portiert werden. Praktisch: Der Transport von Wasser­stoff als gas­förmiger Energie­träger lässt sich in eine bereits bestehende Infra­struktur integrieren! Die europäische Gas­transport­infra­struktur steht bereit. Pipelines von der Fern­gas­stufe bis zum End­kunden liegen bereits im Boden. Sie können schon heute große Energie­mengen trans­portieren, sind genehmigt und betriebs­bereit. Ein großer Anteil davon wird zukünftig für reinen Wasser­stoff genutzt werden können – und müssen. Damit das gelingt, haben 31 euro­päische Fern­leitungs­netz­betreiber eine gemein­same praktisch umsetz­bare Vision entwickelt: den „European Hydrogen Backbone“.

Der European Hydrogen Backbone (EHB)

Es ist ein erneutes Rück­grat für Europa, eins, das die zukünftige Energie­versorgung auf unserem Kontinent sicher­stellen wird. Die EHB-Initiative umfasst 31 euro­päische Netz­betreiber, deren Infra­struktur 25 EU-Mitglied­staaten sowie Norwegen, das Vereinigte König­reich und die Schweiz abdeckt. Alle gemein­sam wollen die bestehende trans­euro­päische Gas­infra­struktur dort, wo möglich und sinn­voll, zum Weg­bereiter für die Ent­wicklung eines euro­päischen Wasser­stoff­markts machen und eine sichere Versorgung mit dem Energie­träger bieten. Die Vision: ein nahezu 53.000 km langes Leitungs­netz für reinen Wasser­stoff in Europa – über­wiegend auf Basis der bestehenden Gas­leitungs­infrastruktur.

Europa – nahe am Wasserstoff gebaut

Der EHB nutzt das Erfolgs­rezept von Europa: vertrauens­volle Zusammen­arbeit zum Vorteil aller Länder. Ein wirk­liches euro­päisches Projekt, das von Nord nach Süd und von West nach Ost reicht. Das Leitungs­netz soll dazu beitragen, dass Wasser­stoff dorthin trans­portiert werden kann, wo er zukünftig in Europa benötigt wird. Mehr als zwei Drittel der vor­gesehenen knapp 53.000 km könnten aus bereits vor­handenen Gas­leitungen bestehen.

REPowerEU: Ausbau der europäischen Wasserstoff­infrastruktur bis 2030

Der REPowerEU-Plan der Euro­päischen Kommission zielt darauf ab, bis zum Jahr 2030 eine Gesamt­menge von 20,6 Millionen Tonnen Wasser­stoff zu erreichen, um russisches Erdgas zu ersetzen. Die EU hat dafür fünf Pipeline­korridore identifiziert, über die Wasser­stoff nach Zentral­europa importiert werden soll – jeweils aus Regionen mit günstigen Erzeugungs­voraussetzungen.

Korridor 1 – Südeuropa

In Süd­europa wird wahr­scheinlich ein Korridor entstehen, der Wasser­stoff aus Tunesien und Algerien über Italien nach Mittel­europa trans­portiert. Dieser Korridor könnte bestehende Erd­gas­leitungen nutzen: in Italien, Österreich, der Slowakei und der Tschechischen Republik.

Korridor 2 – Frankreich, Portugal, Spanien

Auf der Iberischen Halb­insel könnte ein Korridor beginnen, der dort produ­zierten grünen Wasser­stoff ex­portieren soll. Neue Ver­bindungen zwischen Portugal und Spanien sowie Frankreich könnten allen drei Ländern ermöglichen, den grünen Wasser­stoff zu nutzen.

Dieser Korridor würde sich bis nach Deutsch­land erstrecken. So würde darüber auch Wasser­stoff zu geringen Kosten an die Nach­frage­zentren in Deutsch­land geliefert.

Korridor 3 – Nordsee

Ein weiterer zusammen­hängender Korridor soll im Nord­see­raum entstehen, aufbauend auf Offshore-Wind­kraft­anlagen, großen integrierten Wasser­stoff­projekten und Schiffs­importen von Wasser­stoff­derivaten wie Ammoniak, Methanol und flüssigem Wasser­stoff. Damit soll die Nach­frage in den Industrie­clustern von Rotterdam, Zeebrügge, Antwerpen, Wilhelms­haven, Bruns­büttel und Le Havre gedeckt werden. In ganz Deutsch­land werden Wasser­stoff­cluster entstehen, die mit den Wasser­stoff­netzen in anderen nord­west­euro­päischen Ländern verbunden werden.

Korridor 4 – Ostsee

Ein eigener Versorgungs­korridor wird die Wasser­stoff­versorgung der nordischen und baltischen Länder mit dem übrigen Europa sicher­stellen, auf­bauend auf Industrie­clustern in den Regionen Jütland, Göteborg und dem Bottnischen Meer­busen sowie Industrie­clustern in den baltischen Staaten und Polen. Dieser Korridor wird haupt­sächlich aus neu gebauten Pipelines bestehen.

Korridor 5 – Ost und Südosteuropa

In Ost- und Süd­ost­europa soll ein Korridor die Wasser­stoff­entnahme­stellen in Mittel­europa mit Ländern wie Rumänien, Griechenland und der Ukraine verbinden. Die dortigen großen Kapazitäten für Solar- und Wind­energie und die Mög­lichkeit, große Transit­gas­pipelines umzu­widmen, machen diese Region zu einem attraktiven Kandidaten für die Wasser­stoff­produktion in großem Maßstab.

Ausgereifte Wasserstoff­infrastruktur bis 2040

Zwischen 2030 und 2040 wird der EHB weiterwachsen, mehr Regionen abdecken und neue Ver­bindungen zwischen den Mitglied­staaten schaffen. Angetrieben durch das ehr­geizige politische Umfeld und eine schnell wachsende Zahl von Projekten und Initiativen, werden sich die Ver­sorgungs­korridore natur­gemäß auf Gebiete aus­dehnen, in denen ein kosten­effizienter Pipeline­transport von Wasser­stoff erforderlich ist, um die Markt­nach­frage des Jahres 2040 zu decken.

Wasser­stoff­importe aus Namibia, Chile, Australien und dem Nahen Osten werden voraus­sichtlich die be­stehenden Erdgasimporte ersetzen und einen wesent­lichen Teil der künftigen Wasser­stoff­mengen ausmachen.

Durch die Verbindung von Wasser­stoff­produzenten und -verbrauchern mit groß angelegten unter­irdischen Wasser­stoff­speichern könnte das vor­geschlagene euro­päische Wasser­stoff­rückgrat dazu beitragen, erneuer­bare Energien zu integrieren und die dringend benötigte „grüne Versorgungs­sicherheit“ sowie eine euro­päische Energie­souveränität zu erreichen.

Die Politik ist am Zug

Der EHB zeigt deutlich: Die euro­päischen Gas­netz­betreiber sind dazu bereit, die Gas­infra­struktur auf die Zukunft mit grünem Wasser­stoff aus­zu­richten. Jetzt muss die Politik die Weichen stellen, damit aus ambi­tio­nierten Plänen klima­neutrale Wirk­lichkeit wird.


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