Wie OGE die Marktraumumstellung meistert.

In 18 Jahren
von L auf H.

L
H

Es gibt Orte, die kennt außerhalb der Erdgasbranche fast niemand. Und innerhalb der Szene jeder. Slochteren ist so ein Ort. Eine ländliche Gemeinde bei Groningen, Niederlande. Hier gibt es mehr Kühe (180.000) als Einwohner (14.780). Und bis zum Jahr 1959 keine Industrie. In diesem Jahr gerät Slochteren auf die Weltkarte der Energieversorgung. Denn 1959 wird hier das größte Erdgasfeld der EU entdeckt. Mit ursprünglichen Reserven von 2.800 Milliarden Kubikmetern das neuntgrößte der Welt. Bis ins Jahr 2050 sollte in Slochteren Erdgas gefördert – und zu großen Teilen nach Deutschland exportiert werden. Dachte man.

Seit der frühen 1990er Jahre gibt es immer wieder Erdstöße in der Region Groningen, darunter auch stärkere Beben mit Werten von mehr als 3,0 auf der Richterskala. So entscheidet die niederländische Regierung, die Erdgasförderung nach und nach herunterzufahren. Von ursprünglich 50 Milliarden Kubikmetern im Jahr auf 30 im Jahr 2015 und auf weniger als 20 im Jahr 2019.

Niederlande steigt aus der Erdgasförderung aus. Vorzeitig.

Ein komplettes Ende der niederländischen Exploration von Erdgas beschließt das Parlament dann im Jahr 2018. Der Plan: Im Jahr 2029 soll zum letzten Mal Erdgas aus dem niederländischen Boden geholt werden. Ein Plan, der im Mai 2019 Makulatur wird: Am 10. September teilt Wirtschaftsminister Eric Wiebes mit, dass in einem Normaljahr die Produktion schon Mitte 2022 ausgesetzt werden könnte. Bereits im Jahr 2026 könnte das Feld dann vollständig geschlossen werden.

Diese Geschichte hat einen Adressaten.

Deutschland, als einer der wichtigsten Abnehmer von niederländischem Erdgas. Hier heizen rund drei Millionen Haushalte sowie Industrie- und Gewerbebetriebe mit niederländischem Gas. Es ist das niederkalorische L-Gas. Vom hochkalorischen H-Gas, das aus Norwegen, Russland und Großbritannien kommt, unterscheidet sich L-Gas durch einen niedrigeren Brennwert.

Bei OGE beobachtet man die Situation aufmerksam, aber entspannt.

Die laufende Planung für die sukzessive Marktraumumstellung des Leitungsnetzes von L- auf H-Gas ist nicht beeinträchtigt. Denn die Niederländer werden nach eigenen Angaben ihre vertraglichen Pflichten einhalten. Um dies gewährleisten zu können, werden in den Niederlanden spezielle Maßnahmen getroffen, insbesondere eine verstärkte Nutzung von Konvertierungsanlagen.

Das bedeutet: Die Niederländer machen aus H-Gas durch Beimischungen L-Gas, das dann zu den deutschen Abnehmern transportiert wird.

L-Gas
H-Gas

Auslaufmodell L-Gas.

Unabhängig von den Ereignissen in den Niederlanden ist L-Gas ohnehin ein Auslaufmodell. Ganz Europa soll zukünftig mit H-Gas versorgt werden. Schluss mit dem Flickenteppich aus L- und H-Gas-Regionen, beliefert über unterschiedliche Leitungsnetze, Verteilzentren, Übergabepunkten in unterschiedlich kalibrierte Endgeräte.

Auch Deutschland ist bei der Erdgasversorgung zweigeteilt: Es gibt ein großes H-Gasgebiet, das sich vor allem über den Süden und den Osten erstreckt. Und ein L-Gasgebiet, das Teile von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bremen und Sachsen-Anhalt umfasst.

Gerät überprüfen, anpassen, kontrollieren. 5,5 Millionen mal.

Bis zum Jahr 2030 müssen rund 5 Millionen Gasgeräte und -anlagen angepasst werden. Mehr als 10 Millionen mal müssen Installateure zu den Endgeräten fahren: In einem ersten Schritt werden die Geräte erfasst bzw. erhoben und anschließend werden in einem zweiten Schritt in der Regel die Düse ausgetauscht. Ein gewaltiges Projekt. Eine gigantische organisatorische Herausforderung. Und am Anfang der Prozesskette: einer der größten Gasnetzbetreiber Europas.

Die ersten Vorplanungen beginnen im Jahr 2012. Alle Fernleitungsnetzbetreiber Deutschlands schließen sich dafür in Gremien zusammen, die wesentliche Koordination erfolgt über den Netzentwicklungsplan Gas. Denn für eine reibungslose Umstellung muss die gesamte Lieferkette wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren. Also vom Gasfeld in Groningen bis zum Installateur, der schließlich die Gastherme modifiziert.

Vier bis fünf Jahre im Voraus.

Mit diesem weiten Zeithorizont vereinbart OGE mit ihren Kunden, den Verteilnetzbetreibern und Industriekunden, die Umstellungsbedingungen. Der lange Vorlauf ist notwendig, weil auch bei den Abnehmern langfristige Planungsprozesse ablaufen. Der Vorlauf ist aber auch deshalb so großzügig gewählt, weil auch OGE selbst ihr Leitungsnetz ausbauen und anpassen muss. Das H-Gas muss überall dorthin kommen, wo jetzt nur L-Gas verfügbar ist. Nach und nach entstehen so bei OGE neue Transportwege. So investiert OGE rund 1,5 Mrd. € in ihr Leitungsnetz im Zusammenhang mit der L-/H-Gas Umstellung.

Schritt für Schritt werden die Verteilnetze umgestellt. Dafür werden typischerweise Päckchen von 20 bis 30.000 Geräten geschnürt, mit wenigen Übergabepunkten zu den Verteilnetzbetreibern. Diese Päckchen werden nach einem minutiösen Plan abgearbeitet. So dass nach und nach das L-Gas vom H-Gas aus den Leitungen gedrückt wird.

Was es für den Projekterfolg braucht? Kommunikation!

Alles wird mit den Verteilnetzbetreibern gemeinsam geplant und berechnet. Wie groß sind die Umstellungsgebiete? Wie muss man das Netz stückeln? Wie viele Fachkräfte braucht man wann und wo? OGE sieht sich als Impulsgeber, stößt Prozesse an, organisiert Branchentreffen und Kommunikationsplattformen, berät und koordiniert. Gleichzeitig haben die Verantwortlichen ein Augenmerk darauf, dass auch die Leitungsstrukturen des eigenen Transportnetzes angepasst werden.

Die Kommunikation und Koordination von OGE wirkt: Es gibt viele positive Rückmeldungen von den Verteilnetzbetreibern, die sich gut betreut und unterstützt fühlen.

Verzögerungen? Nicht vorgesehen.

Kein Plan ist so alt, wie der von gestern. Eine Weisheit, die bei der Marktraumumstellung nicht gilt. Verzögerungen oder andere Abweichungen von der grundsätzlichen Planung sind nicht vorgesehen. Jahr für Jahr werden in den Verteilnetzen bis zu 550.000 Geräte umgestellt. Die Ressourcen für die notwendigen Arbeiten sind seit Jahren geplant und vertraglich beschlossen. Gleiches gilt für die Netzausbauten, die natürlich termingerecht fertiggestellt werden müssen.

Und tatsächlich: Bisher funktioniert alles reibungslos. Derzeit werden Bereiche geplant, die im Jahr 2025 umgestellt werden.

Nach H kommt G.

H-Gas ist effizienter als L-Gas. Aber dennoch eine fossile Energiequelle. In nicht allzu ferner Zukunft wird das H-Gas abgelöst werden müssen durch so genanntes grünes Gas. Also Gas, das auf Basis Erneuerbarer Energien gewonnen wird wie Windgas und Wasserstoff. Auch dafür ist OGE mit seinem 12.000 Kilometer langen Transportnetz bereits heute vorbereitet.

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